Freizeitaktivitäten sind privilegiert. Sei es Sport, Vereine oder Interessen-Gruppen. Die größten Aktivitäten außerhalb der Schule oder der Arbeit ist die Kirche. Eine andere Realität, mit der ich konfrontiert werde. Reflektierend erkennt man dadurch wie wichtig die eigene Individualität und Interessen in einem Umfeld wie diesem sind. Für jeden ist Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung wichtig, aber wer kann sich das schon leisten?
Tendenzen innerhalb von Schulen zeigen ein immer steigendes Angebot an Klubs, die man während der Schulzeit besuchen kann. Eine sehr positive Abwechslung zum Schulalltag. Es werden in vielen Schulen Klubs in Bereichen wie Schach, Diskussion, Umwelt, Musik und vieles mehr angeboten. Jedoch betrifft das nur die Kinder die tatsächlich zur Schule gehen. Sportliche Aktivitäten nach der Schule gibt es leider kaum, außer Fußball und Tricking auf der Straße.
Initiativen wie z. B. das Olympia Youth Development Center (OYDC) bieten auf einem riesigen frei zugänglichen Gelände diverse Sportarten und Bildungsprogramme an. Alles gratis und von professionellen Leuten geleitet, eine prima Chance für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsenen verschieden Interessen nachzugehen. Doch selbst die kurze Distanz von den umliegenden Stadtvierteln wird hier schon zum Problem. Manche Kinder, die im angrenzenden Stadtteil leben, waren noch nie beim OYDC. So wie bei vielen Angeboten wie diesen kann man sich das Transport-Geld nicht leisten und auch teilweise die benötigte Zeit nicht aufbringen. Für mich ist es dennoch eine sehr gute Chance meinem Sport, dem Basketball, nachzugehen.
Eine meiner Herzensangelegenheit und zugleich auch eine der besten Freizeit Angebote, die es gibt, ist das Pfadfinden. Die Jugendbewegung ist auch in Sambia sehr aktiv und bietet in so gut wie jeder größeren Stadt an, sich ihnen anzuschließen. Die Partizipation am „Scouting“ steht für jegliche Altersklasse, Herkunft, Kultur und Religion offen. Prinzipien der Pfadfinder vor Ort sind grundlegend gleich mit denen, wie ich sie kenne. Die Pflicht zu Gott, zu der Gemeinde und sich selbst kommt hier nur etwas anders zum Tragen.
Für Kindern und Jugendlichen zu arbeiten die aus sehr komplizierten Lebenssituationen kommen, trägt so etwas wie das Scouting eine andere Bedeutung. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit bei Gruppenaktivitäten teilzunehmen, die ihnen wichtige Sachen für das Leben beibringen. „Learning by Doing“ ist ein grundlegender Ansatz, der den Kindern lebenslange Fähigkeiten und Wissen vermitteln soll. Disziplin und der Respekt sind auch wichtige Dinge, die man durch das Scouting hier lernt. Es ist unheimlich wichtig, weil viele dieser wichtigen Werte in der Erziehung untergehen. Darüber hinaus halten die Gruppenstunden und gemeinsame Aktivitäten, die Kids von der Straße fern. Fern von Kriminalität, Drogen und Alkoholmissbrauch. Das freiwillige Engagement für gemeinden und Gesellschaft ist ein wichtiger Bestandteil, wenn man vom Pfadfinden spricht.
Ebenso wie jedem anderem, stand auch mir die Tür offen einer Gruppe beizutreten, wo ich mehr als herzlich aufgenommen wurde. Der Stamm in Ibex, auch „Team SIXX“, hat mich direkt in verschiedenste Aktionen involviert wie z. B. eine Leiterfortbildung in Ndola im Norden, Gruppenstunden und viele andere Gruppenaktivitäten in der Gemeindearbeit. So habe ich unter anderem eine Gruppenstunde zum Thema Klimawandel und Umweltschutz im Rahmen der „Earth Hour“ gehalten und den Pfadfindern bei verschiedensten öffentlichen Events beiseite gestanden. Es bietet mir die Gelegenheit mich über meine Arbeit für die Schwestern hinaus, für die Pfadfinder zu engagieren in meiner Freizeit. In einem Umfeld wie Chipata Compound ist es vor allem für Weiße Personen nicht einfach Anschluss an Freunde/Interessen-Gruppen zu finden. Um meiner Leidenschaft nachzueifern, ist es ein wichtig für mich, Zeit mit den Pfadfindern zu verbringen und von ihnen zu lernen.
Die meisten meiner Benachteiligungen und Privilegien vor Ort gelten nicht für alle. Wegen des sozialen Gefüges und den gesellschaftlichen Strukturen hat nicht jeder die Freiheit zu machen, was man will. Es schränkt die einen ein und den anderen setzt es keine Grenzen.
Eine dieser Hürden entstehen durch Verpflichtungen und familiäre Strukturen. Die Bedeutung der Familie und Religion haben in Chipata Compound eine andere Gewichtung als im vermeintlichen „westen“. Man hat Strukturen innerhalb der Familie, die einerseits von traditionellen Werten festgelegt werden, als auch durch Religion. Diese Strukturen kann man allerdings nicht verallgemeinern, da es teilweise von der einen zur anderen Familie anders festgelegt oder interpretiert wird. Jedoch kann man sagen, dass der Man in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert hat als die Frau, dementsprechend werden auch andere Aufgaben Felder eingeteilt. Die Frau ist klassisch für den Haushalt zuständig und kümmert sich um die Kinder.
Der Mann ist das Oberhaupt der Familie, ernährt die Familie und hat somit das sagen. Kinder haben ältere Personen zu respektieren. Es gibt festgelegte Gesten, die den Respekt vor älteren Personen gegenüber ausgeübt werden müssen, wie z. B. der Knicks bevor man einem Mann oder einer älteren Person einen Gegenstand überreicht. Dieser Aspekt des Respektes findet sich auch in der Sprache wieder, in Chinjaya, einer der 73 Sprachen die in Sambia gesprochen werden, verwendet man für “du” das Wort “Iwe” und die Prospektform “Sie” benutzt man“Imwe”.
Diese Einteilung ist sehr gravierend für die Mündigkeit der Familienangehörigen. Es herrscht eine starke Hierarchie in der Gesellschaft die ein freundliches und warmes miteinander garantieren soll. Wenn man sich außerhalb dieser Strukturen bewegt oder sich gar aktiv dagegen auflehnt, kommt es zu massiven Auswirkungen. Phänomene und Verhaltensmuster die einem sehr bekannt vorkommen, die nicht viel anders als in Deutschland genauso passieren.
Es ist ein wichtiger Teil der Kultur, den ich sehr respektiere und lernen musste zu verstehen. In vielen Teilen der Welt ist Selbstbestimmung nichts Selbstverständliches. Nicht in Deutschland und auch nicht in Sambia. Die Kluft derjenigen die privilegiert sind, wird einem hier nur noch deutlicher – ein Grund mehr zu versuchen etwas in Gesellschaften aktiv zu bewirken, was man für richtig hält. Für mich ist es das richtige, etwas für die Bildung von Kindern und Jugendlichen zu tun. Meiner Meinung nach ist es der Weg zur Selbstbestimmung, Individualität und Mündigkeit für jeden.
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